2022

Anne Decker

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2022
2022 ist Vergangenheit. Wie haben als Futurnautinnen unser erstes Forschungsjahr erlebt. Es war eine Spurensuche und ein Erproben von künstlerischen Interventionen in der Schwalm, um mit den Menschen vor Ort in Kontakt zu treten und gemeinsam Zukunftsvisionen zu spinnen. Dabei haben wir uns vor allem an Widersprüchen künstlerisch abgearbeitet. Denn eine widersprüchliche Ausgangslage beschreibt wohl am besten die Position, von der aus wir in Zeiten des Klimawandels in die Zukunft blicken. Wir glauben, dass der Umgang mit Widersprüchen unsere Zukunft entscheidend mitbestimmen wird. Die Suche nach den Widersprüchen in Schwalmstadt war deshalb eines unserer Ziele in diesem ersten Residenzjahr – eine Suche, die es uns ermöglichte, unseren Blick über die Zeichen des Klimawandels hinaus auf alle lokalen Themen, die Zukunft betreffen, zu erweitern. Wir haben also gefragt: Welche Widersprüche beschäftigen euch? Wie geht ihr mit ihnen um und welche Zukunftsimpulse geben sie euch? Geht es darum, sie zu überwinden, zumindest zu verringern oder sie einfach nur auszuhalten? Dafür haben wir für zwei längere Phasen vor Ort gelebt.
Phase 1 – FUTURSPRECHSTUNDE 
Im Juli 2022 haben wir ein leerstehendes ehemaliges Café in das Kulturbüro für Zukunftsfragen umgewandelt: und dort einen Ort mit offenen Türen geschaffen, in dem wir Gespräche führten, die zum Nährboden für zwei Performances wurden. Wir haben… beobachtet, gelauscht, lange Spaziergänge gemacht, eine Straße ist verschwunden, wir waren nicht Wunscherfüllerinnen, aber Ausfüllerinnen für Formulare der deutschen Bürokratie, wir waren hinter den Schaufenstern, wir waren SO sichtbar, der Bürgermeister hat vor unseren Fenstern geparkt, wir haben uns unterhalten, Halal-Bier von unserem Nachbarn zum Einzug bekommen. …und wir haben geprobt – bei ständig offener Tür – für die Futursprechstunde 1&2 am 22./23. Juli 2022. In der Performance riefen die Besucher:innen FIRE – eine besondere Art Kaffee zu bestellen, während wir konstant die CO2-Werte gemessen haben, den Raum plötzlich verlassen mussten und er dann zum Kinosaal wurde, um neue Stadtansichten zu eröffnen: Was wollt ihr sehen? Am Ende wurden Samen gepflanzt; wir wollten etwas hinterlassen, das weiter wachsen kann… Filmisch belgeitet wurden wir dabei von Maxi Buck, ein lokaler Filmemacher, der mit seinem Dokumentarfilm „49 problems and my future is one“ die Diskussionen um den widersprüchlichen Ausbau der A49 eingefangen hat.
Phase 2 – RAUMFÜLLER
– eine offene Upcycling-Werkstatt und Performance mit kurg.huhu aus Wien. Im Oktober 2022 kamen wir wieder und haben einen weiteren Leerstand umgestaltet. Plastik wurde zum Ausgangspunkt unseres künstlerischen Prozesses. Denn in Schwalmstadt wurden wir mehrfach darauf angesprochen, dass Müll immer mehr den öffentlichen Raum füllt. Plastik ist Teil unserer Widerspruchswelt: ohne Plastik würden Medizin- und Pharma-Industrie nicht funktionieren, noch wären globale Handelswege möglich. Wir haben etwas geschaffen, was unseren Lebensraum und unsere Körper – die Voraussetzung unseres Lebens sind – gefährdet. Trotzdem ist es da. In der dieser Phase haben wir… Plastik gesammelt, diesen Kunststoff erforscht und den Leerstand damit befüllt. Wir haben neue Körperhüllen kreiert und sind mit ihnen verschmolzen, haben unfassbar geschwitzt und den drückenden Kunststoff-Geruch ertragen. Wir haben Menschen dazu eingeladen, mit uns einen kollektiven Wertstoff-Teppich zu weben – als Sinnbild für die Kraft gemeinsamer Aktionen und die Möglichkeit, kollektiv Verantwortung zu tragen. Aus diesem Prozess ist eine Performance entstanden. Am 29. Oktober 2022 haben sich drei lebendige Plastikwesen an verschiedenen Stellen im öffentlichen Raum verloren, um sich irgendwann am Schwälmer Wertstoff-Teppich wiederzufinden. Die Wesen haben für Aufruhr gesorgt, für Selfies und Lachanfälle, für die Erinnerung an die Unvergänglichkeit von Plastikmüll und auch Abwehr. Sie leben jetzt weiter im Unverpacktladen und im Rathaus in Treysa… Musikalisch unterstützt wurden wir dabei von Fabian Zimmer, Musikpädagoge an der Hephata-Akademie in Schwalmstadt, der mit uns ad hoc ein Aufnahmestudio in einer Umkleidekabine eingerichtet hat, um das Lied „Polyethylen“ (Text/Komposition Anne Decker) zu produzieren.
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Die Futurnautinnen wird gefördert von:

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